Urvogel Archaeopteryx

Er ist das berühmteste Fossil der Welt, seine Entdeckung im 19. Jahrhundert war eine Sensation. Alle bisher bekannten Exemplare von Archaeopteryx stammen aus dem Naturpark Altmühltal.

Sein Name bedeutet „alte Feder“. Der Abdruck einer Feder – rund 147 Million Jahre alt – war nämlich der erste Hinweis auf diesen „Urvogel“, der entdeckt wurde. Schon kurz darauf kam bei Langenaltheim das erste fossile Skelett ans Licht, das eine bis heute andauernde wissenschaftliche Debatte auslöste. Handelte es sich um einen Dinosaurier? Einen Vogel? Oder gar eine Übergangsform zwischen beiden – einen Beleg für die Evolutionstheorie?

Erst wenige Jahre vor dem Fund hatte Charles Darwin sein Werk „Über die Entstehung der Arten“ veröffentlicht. Darin wies er darauf hin, dass der Beweis für Übergangsformen zwischen den Arten noch durch Fossilien zu erbringen sei. Die Entdeckung des Archaeopteryx lieferte wichtige Argumente für Darwins Theorie. Die Paläontologie wurde zur wichtigen Stütze der Evolutionsforschung. 

Im Laufe der Jahrzehnte wurden in den Solnhofener Plattenkalken – nirgendwo sonst – einige wenige weitere Exemplare von Archaeopteryx entdeckt. Die etwa rabengroßen Tiere weisen sowohl typische Merkmale von Dinosauriern als auch von Vögeln auf. An den Funden, die in den Fossilienmuseen im Naturpark Altmühltal ausgestellt sind, ist das gut zu sehen. Dort begegnet man auch vielen weiteren faszinierenden Lebewesen aus der Jurazeit.

Bis in die 1990er Jahre gab es keine mit Archaeopteryx vergleichbaren Fossilbelege für die Evolutionsgeschichte der Vögel. Wissenschaftliche Untersuchungen und weitere Funde bringen immer wieder neue Erkenntnisse: Archaeopteryx hat noch nicht alle seine Geheimnisse preisgegeben.

1

Das Londoner Exemplar (Neotypus)

  • Teilskelett mit Großgefieder
  • Funddaten: 1861 in Langenaltheim
  • Erstbeschreibung: MEYER 1861b
  • Aufbewahrung: The British Museum, London (England)

Zwei Jahre nach der Veröffentlichung von DARWINs Buch über die Evolutionstheorie löste der erste Skelettfund eines Urvogels heftige Diskussionen aus. Zwei Gegner der Evolutionstheorie beschrieben das Tier als unauffälligen Vertreter bekannter Gruppen: WAGNER sah darin ein klassisches Reptil und gab ihm den Namen Griphosaurus, OWEN dagegen diagnostizierte einen eindeutigen Vogel. Beide waren anerkannte Experten, folgten jedoch zu stark dem früheren Konzept unveränderlicher Arten. Erst HUXLEY erkannte die Mixtur der Merkmale und schlussfolgerte, dass Vögel von Dinosauriern abstammen. Inzwischen ist diese Hypothese hundertfach bestätigt worden.

2

Das Berliner Exemplar

  • vollständiges Skelett mit Großgefieder
  • Funddaten: 1875, Blumenberg bei Eichstätt
  • Erstbeschreibung: DAMES 1884
  • Aufbewahrung: Museum für Naturkunde, Berlin

Indem das zusammenhängende Skelett beide Flügel präsentiert, ist dieses Exemplar nicht nur für Wissenschaftler, sondern die gesamte Weltöffentlichkeit besonders attraktiv. Als „Mona Lisa der Paläontologie“ wird es immer wieder abgebildet und ist zu einem Sinnbild der Urzeitforschung geworden.

 

3

Das Maxberger Exemplar

  • Teilskelett mit Federbüscheln
  • Funddaten: 1956 in Langenaltheim
  • Erstbeschreibung: HELLER 1959
  • Aufbewahrung: früher private Leihgabe auf dem Maxberg bei Mörnsheim, heute verschollen

Durch den Verlust des Stückes für die Wissenschaft können nur Replikate studiert werden. Außer einigen anatomischen Details der Knochen erbrachte der Fund somit keine zusätzlichen Erkenntnisse.

 

 

4

Das Haarlemer Exemplar

  • Teilplatte mit Federn
  • Funddaten: 1855, Jachenhausen bei Riedenburg
  • Erstbeschreibung: MEYER 1857 (als Flugsaurier), OSTROM 1970 (als Urvogel), FOTH & RAUHUT 2017 (neue Gattung)
  •  Aufbewahrung: Tylers Museum, Haarlem (Niederlande)

Das östlichste aller bisherigen Exemplare ist genaugenommen der erste Fund eines Urvogels weltweit. Da die Platte eines möglicherweise einst vollständigen Fossils nur teilweise geborgen wurde und die Federn auf den ersten Blick undeutlich erkennbar sind, ging man lange von einem Flugsaurier aus. Ostrom, der den Raubdinosaurier Deinonychus aus Montana, USA, beschrieben hatte, erkannte das Stück als Urvogel und belegte erstaunliche Übereinstimmungen zwischen Dinosauriern und Vögeln. Kürzlich wurde sogar festgestellt, dass es sich bei dem vierten Urvogel nicht um Archaeopteryx handelt, sondern um einen Vertreter einer aus China bekannten Gruppe. Sein neuer Name: Ostromia crassipes.

5

Das Eichstätter Exemplar

  • Funddaten: 1951, Workerszell bei Eichstätt
  •  Erstbeschreibung: MAYR 1973
  •  Aufbewahrung: Jura-Museum Eichstätt

Die Urvögel des Altmühltals sind allesamt Jungtiere, nicht gerade kleine Küken, aber doch zumindest nicht ausgewachsen. Das Eichstätter Exemplar ist das kleinste aller Skelette, woraus sich jedoch schwer ableiten lässt, wie groß diese Art ausgewachsen sein musste. Überhaupt scheint die Entwicklung der Feder wie auch des Vogelfluges anfangs auf jugendliche Stadien von Raubdinosauriern konzentriert gewesen zu sein.

 

 

6

Das Solnhofener Exemplar

  • weitgehend vollständiges Skelett mit Schwungfedern  
  • Funddaten: vor 1985, vermutlich Eichstätt
  •  Erstbeschreibung: WELLNHOFER 1988
  •  Aufbewahrung: Bürgermeister-Müller-Museum Solnhofen

Dieses größte bekannte Exemplar repräsentiert dennoch kein voll ausgewachsenes Exemplar. Aufgrund anatomischer Abweichungen wurde später die eigenständige Gattung Wellnhoferia vorgeschlagen, doch fand die Unterscheidung von Archaeopteryx keine Bestätigung. Die Unterschiede zwischen den einzelnen Funden werden je nach Fachmeinung als separate Spezies, Wachstumsstadien oder Geschlechtermerkmale interpretiert.

7

Das Münchener Exemplar

  • weitgehend vollständiges Skelett mit Großgefieder 
  • Funddaten: 1992 in Langenaltheim
  •  Erstbeschreibung: WELLNHOFER 1993
  •  Aufbewahrung: Bayerische Staatssammlung für Paläontologie und Geologie München

Die gute Erhaltung ließ bei diesem Fund vor allem neue Erkenntnisse zum Hirnschädel zu. Offenbar waren Vögel von Beginn an mit einem relativ großen und fortschrittlichen Gehirn ausgestattet. 

8

Das Daitinger Exemplar

  • Teilplatte mit Schädel und Flügeln
  • Funddaten: um 1990 bei Daiting
  • Erstbeschreibung: MÄUSER 1997, TISCHLINGER 2009
  • Aufbewahrung: Bayerische Staatssammlung für Paläontologie und Geologie München, private Dauerleihgabe (Sammlung Birgit Albersdörfer)

Dieses Exemplar stellt einen erdgeschichtlich jungen Fund von Archaeopteryx dar und muss darum als möglicherweise noch unbekannte Spezies besonders überprüft werden. Die interne Knochenstruktur ist hier besser erhalten als bei allen anderen Exemplaren. Daher wurde das Stück mittlerweile schon dreimal im europäischen Synchrotron in Grenoble aufwändig gescannt und untersucht.

9

„Chicken Wing“ (Exemplar der Familien Ottmann & Steil)

  • rechter Flügel mit Federspulen 
  • Funddaten: 2004 bei Solnhofen
  •  Erstbeschreibung: RÖPER 2004
  •  Aufbewahrung: Bürgermeister-Müller-Museum Solnhofen, private Dauerleihgabe

Das Fossil ist der bislang einzige isolierte Skelettrest von Archaeopteryx. Auffällig oft sind die Exemplare großteilig zusammenhängend erhalten. Eine Zergliederung von Tierkadavern vor der Einbettung in den marinen Kalkschlamm kann mit Aasfressern zusammenhängen oder ist durch mikrobielle Zersetzung während des Transports im Meer zu erklären.

10

Das Thermopolis-Exemplar

  • vollständiges Skelett mit Großgefieder
  • Funddaten: wahrscheinlich um Eichstätt
  •  Erstbeschreibung: MAYR et al. 2005
  •  Aufbewahrung: Wyoming Dinosaur Center, Themopolis (USA)

Der Schädel eines Wirbeltiers ist besonders begehrt, da er auffällig reich an anatomischen Merkmalen ist. Diese werden nicht nur zur Rekonstruktion der Ernährung herangezogen, sondern sind wertvolle Argumente bei der Analyse genauer Verwandtschaftsverhältnisse. Dieser Archaeopteryx-Fund zeigt den am besten erhaltenen Schädel. Darüber hinaus konnte erstmals an diesem Fossil dokumentiert werden, dass die innerste der großen Fußzehen überdehnbar war: Der Urvogel trug eine hochklappbare Raubkralle, ähnlich Velociraptor und Deinonychus!

 

11

Exemplar (unbenannt)

  • weitgehend vollständiges Skelett mit Gefieder 
  • Funddaten: wahrscheinlich um Eichstätt
  • Erstbeschreibung: FOTH et al. 2014
  • Aufbewahrung: Bayerische Staatssammlung für Paläontologie und Geologie München, private Leihgabe

 Abgesehen von wenigen fehlenden Skelettelementen, wie zum Beispiel des Schädels, ist das Fossil erstaunlich gut erhalten. Besondere neue Erkenntnisse ergaben sich zum Gefieder, das so detailliert ist wie bei keinem anderen Exemplar. Denn gerade die kleineren Körperfedern haben geringere Chancen, bei der Versteinerung zu überdauern.

12

Archaeopteryx No. 12

  • eines der am besten erhaltenen Skelette
  • Funddaten: 2010 bei Schamhaupten
  •  Erstbeschreibung: RAUHUT et al. 2018
  •  Aufbewahrung: Dinosaurier Museum Altmühltal

Aufgrund geologischer Eigenheiten sind bei diesem Exemplar keine Federn erkennbar, wie es auf die meisten Raubdinosaurier zutrifft, von denen wir inzwischen wissen, dass sie Federn trugen. Doch das Skelett ist vollständig und lässt die Mischung vogelartiger und urtümlicher, reptilienhafter Merkmale hervorragend erkennen. Als der geologisch älteste Archaeopteryx-Fund datiert er die jurazeitliche Vogelwelt des Altmühltals um einige hunderttausend Jahre zurück.

 

13

Mühlheimer Exemplar

  • das erdgeschichtlich jüngste Exemplar
  • Funddaten: 2017 Besuchersteinbruch Mühlheim bei Mörnsheim
  • Aufbewahrung: Bayerische Staatssammlung für Paläontologie und Geologie München

Im November 2017 wurde von Roland Pöschl, Besitzer des Besuchersteinbruchs Mühlheim bei Mörnsheim, ein Fossil geborgen. Nach  wissenschaftlicher Untersuchung stellte es sich als Flügel eines Archaeopteryx heraus. Gefunden in den Mörnsheimer Schichten des Solnhofener Archipels ist das Relikt das bisher erdgeschichtlich jüngste  Exemplar des Urvogels. Der Mühlheimer Archaeopteryx ist

10 bis 15 Prozent größer als die bisher gefundenen Exemplare. Das Stück wurde vom Freistaat Bayern angekauft und hat in der Bayerischen Staatssammlung für Paläontologie und Geologie in München seine neue Heimat gefunden. 

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