Mit Eibenzweig zum Hexensabbat

Stadtführerin Dr. Margit Vonhof-Habermayr versetzt ihr Publikum in Neuburg an der Donau in die Zeit des Hexenwahns.

Die Halskrause sitzt, ebenso das Haarnetz – wie es sich für eine verheiratete Frau gehört – und der Hut als Zeichen von Selbstbewusstsein. Angst, als Mannweib zu gelten, hat Lucrezia Wohlgemuth nicht, denn die Witwe eines angesehenen Apothekers hat schon viele Schrecken erlebt und auch überlebt.

Stadtführerin Dr. Margit Vonhof-Habermayr ist nicht nur passend gekleidet, sie hat die Rolle der Apothekersfrau aus dem 17. Jahrhundert verinnerlicht. Als Lucrezia Wohlgemuth berichtet sie ihrem Publikum regelmäßig „Von Hexen, Heilern und Halunken“ in Neuburg an der Donau. Einen Spickzettel hat sie nicht für die rund eineinhalbstündige Tour. „Das geht gegen die Ehre“, findet sie und fügt mit einem kleinen Schmunzeln hinzu: „Lieber vergesse ich mal was. Das merkt ja auch keiner.“ Schon seit 1996 ist die Kunsthistorikerin als Stadtführerin tätig. Nach Neuburg an der Donau verschlug es die gebürtige Pfälzerin der Liebe wegen. Mit ihrem Mann führte sie das Busunternehmen „Habermayr Reisen“ und organisierte früher zahlreiche Kulturreisen. Für die Hexenführung hat sie in monatelanger Recherchearbeit eine Fülle von Fakten zusammengetragen. „Alles, was ich erzähle, ist wahr“, betont sie; beim Zuhören wünscht man sich manches Mal, es wäre nicht so.

Flüche aus der Nachbarschaft

In der Tourist-Information am Ottheinrichplatz bekommen die Teilnehmenden zunächst ein Eibenzweiglein zum Anheften. Aus gutem Grund, wie sich bald herausstellt. „Glaubt ihr an Hexen?“ fragt Dr. Margit Vonhof-Habermayr alias Lucrezia Wohlgemuth zum Auftakt in die Runde. Auf das allgemeine Kopfschütteln reagiert sie mit leisem Zweifel. Schließlich gibt es noch jede Menge Ausdrücke, von „wie verhext“ bis zum Hexenschuss, die von dem alten Aberglauben zeugen. Anschaulich vermittelt die Gästeführerin den Zuhörern, wie real und alltäglich der Glaube an Hexen und Magie für die Menschen früher war. Ob der Rahm sich nicht buttern ließ oder ein Paar kinderlos blieb, für Lucrezia Wohlgemuths Zeitgenossen war klar: Hier war dunkle Magie am Werk. Der Alltag barg unauslotbare Gefahren: „Man wusste ja nie, ob einem nicht der Nachbar einen Fluch aufhängt.“ Schutz vor der Verzauberung sollten neben der Eibe zum Beispiel der Türkis, die Farbe Rot oder ein Zettel mit dem Vaterunser, der im Schuh getragen wurde, bieten. Aus ihrem Korb, in dem noch einige weitere Requisiten schlummern, holt die Führerin außerdem ein Hufeisen und eine Schere: Eisen galt ebenfalls als schützend, weil es im heißen Feuer geschmiedet wurde. „Nur die Flammen wirken gegen das Böse“, erklärt Lucrezia Wohlgemuth. „Deshalb hat man die Hexen auch verbrannt.“

Düstere Geschichte in glanzvoller Kulisse

Die Gruppe folgt der Stadtführerin übers Kopfsteinpflaster durch die Neuburger Altstadt, zunächst in den Hof des stolzen Renaissanceschlosses, dann hinauf zur Hofkirche und dem von prachtvollen Fassaden eingerahmten Karlsplatz und schließlich hinein in die Gassen, wo sich durch Innenhöfe Blicke auf die Stadtmauer eröffnen. Zwischendurch sorgen Kommentare über die rollenden „Ungetüme“ in Straßen oder ein Schlagabtausch mit dem Nachtwächter, der zufällig gerade ebenfalls unterwegs ist, für Lacher. Während die Dämmerung die Szene in goldenes Licht taucht, wird die Geschichte jedoch immer düsterer. „In meiner Kindheit hat sich das Wetter gewandelt“, berichtet die Apothekersfrau. Später Frost und Hagelstürme führten zu mehreren Missernten. Die Suche nach einem Sündenbock begann.

Während der Hexenwahn unter der Herrschaft der Fürstbischöfe in den Hochstiften Augsburg und Eichstätt schon tobte, schien das angrenzende, aber protestantische Fürstentum Pfalz-Neuburg zunächst noch wie ein sicherer Hafen. Auch Herzog Philipp Ludwig musste seine Untertanen vor böser Magie bewahren, doch in den ersten Verfahren wurde mit Vernunft entschieden. Unter seinem Sohn und Nachfolger Wolfgang Wilhelm, der zum Katholizismus konvertiert war, wendete sich das Blatt. Bald wurde auch in Neuburg die erste Frau hingerichtet, dann folgte eine Verhaftung der nächsten. Jeden konnte es treffen, selbst reiche und angesehene Bürgerfamilien.

Der Henker als Heiler

Warum selbst ein Freispruch keinen guten Ausgang für die Verdächtigen bedeutete, warum die Hexenverfolgung ein lukratives Geschäft war und wie eine Hexenverbrennung vonstatten ging, das berichtet die Stadtführerin auf dem Weg durch die prächtige Altstadt. Nebenbei erfahren die Teilnehmenden auch etwas über das Leben und die Medizin im 17. Jahrhundert, etwa, was es mit dem „Arme-Sünder-Fett“ auf sich hatte und warum der Scharfrichter auch ein gefragter Heiler war – für heutige Gemüter ein deutlich gruseligeres Kapitel als die Beschreibungen des Hexensabbats.

Für alle, die noch mehr schauerliche Geschichten aus Neuburgs Historie hören möchten, gibt es die Führung „Tatort Altstadt“. Sie ist neu im Programm der Neuburger Stadtführer, die ein breites Repertoire an klassischen Stadtführungen, Themen- und Kostümführungen anbieten. „Man muss sich immer wieder etwas Neues einfallen lassen“, erklärt Margit Vonhof-Habermayr, die Sprecherin der Stadtführer ist. So kam es zu der Idee, zu schauen „was in unserer Stadt alles passiert ist“. Das gab genug Stoff für zwei Führungen, eine über die Hexenverfolgung, die zweite über andere Verbrechen, Unglücksfälle und außergewöhnliche Ereignisse im Lauf der Jahrhunderte.

Trotz des düsteren Themas klingt der Rundgang mit Lucrezia Wohlgemuth übrigens versöhnlich aus. Zur Verdauung der haarsträubenden Fakten rund um Folter und Hinrichtungen kredenzt sie den Teilnehmenden zum Abschluss noch ein Schlückchen „Kräutermedizin“ aus den Beständen des seligen Apothekers. Und beendet den Ausflug in die Welt des Aberglaubens mit einer beruhigenden Lebensweisheit: „Ob es Unglück bringt, wenn einem eine schwarze Katze über den Weg läuft, hängt davon ab, ob man ein Mensch ist oder eine Maus.“

Urlaub machen, essen, trinken…