Mit der von Kant als kopernikanisch apostrophierten Wende zum neuzeitlichen Subjekt wird die Welt zu dessen Gegenstand: Objekt ist, was das Subjekt im (Be-)Griff hat. Wird der Mensch ihr „Herrscher und Besitzer“ (Descartes), verliert die Natur Zauber und Geheimnis. Je raumgreifender Radius und Reichweite einer alles konstituierenden und kontrollierenden Subjektivität, desto verfügbarer eine als Buffet an- und zugerichtete Welt, auf die man nur noch mit gutem Appetit zuzugreifen braucht. Doch ist ein solches Schlaraffenland nun Traum oder nicht vielmehr Alptraum einer narzisstischen Moderne, der die Welt zur Echokammer verkümmert, da sie im Gegenstand kein Gegenüber findet? Ist das, was trotz allem außen vor und übrigbleibt, wenn alles Machbare gemacht und alles Erzwingbare erzwungen ist, nicht das, worauf es eigentlich ankommt? Muss es nicht, wie im Kinderbuch, „mehr als alles“ geben? Und ist die Schneekanone nicht ein schlechtes Surrogat der Sehnsucht, wenn wir uns weiße Weihnachten wünschen? So sieht es jedenfalls der Soziologe und Resonanztheoretiker Hartmut Rosa, für den sich „[i]n unserem Verhältnis zum Schnee […] das Drama desmodernen Weltverhältnisses wie in einer Kristallkugel“ widerspiegelt: „Lebendigkeit, Berührung und wirkliche Erfahrung“ entstehen erst „aus der Begegnung mit dem Unverfügbaren. Eine Welt, die vollständig gewusst, geplant und beherrscht wäre, wäre eine tote Welt. Das ist keine metaphysische Einsicht, sondern eine Alltagserfahrung“. Dieser Alltagserfahrung ohne Scheu vor metaphysischen Einsichten anhand von Rosas brillantem Essay(Unverfügbarkeit, Salzburg 2018) gemeinsam nachzudenken, gibt das Seminar Gelegenheit.
Referentin: Prof. Dr. Christian Rößner